





3-Minuten-Kirche am 29. September 2021
Wir haben hier in Deutschland am Sonntag einen neuen Bundestag gewählt. Die Stimmen sind ausgezählt, es hat lange gedauert bis das Ergebnis feststand und welche Koalitionen sich nun bilden werden, bleibt abzuwarten. Ich bin sehr gespannt, vor allem darauf, ob dann in wichtigen Zukunftsfragen Weichen gestellt werden oder alles beim Alten bleibt.
Im Mai gab es in der Evangelischen Kirche in Deutschland die Aktion „Schick uns dein Lied“ für die ich an dieser Stelle auch geworben habe. Es soll ein neues Gesangbuch geben und die Aktion sollte allen, die wollten, die Möglichkeit geben, sich an der Auswahl zu beteiligen. Rund 10.000 Menschen haben bei der Abstimmung mitgemacht und auch hier sind jetzt die Ergebnisse bekannt gegeben worden. Das beliebteste Kirchenlied ist „Von guten Mächten“, dessen Text Dietrich Bonhoeffer voller Gottvertrauen zum Jahreswechsel 1944/45 in seiner Gefängniszelle geschrieben hat. Dieses Lied gehört auch zu meinen Lieblingsliedern. Ich kann also gut verstehen, dass es gewählt wurde. Die starken Worte Bonhoeffers haben auch heute Wirkung, selbst wenn man den Hintergrund der Entstehung nicht kennt. Aus ihnen spricht das Vertrauen darauf, dass Gott es gut mit uns meint, dass es trotz allem Leid in dieser Welt gute Mächte gibt, die uns Kraft geben, halten und trösten. Gerade in der Pandemie-Zeit war die Sehnsucht nach diesen guten Mächten groß. Für Bonhoeffer hieß dieses Vertrauen auf die guten Mächte aber auch, entsprechend zu handeln. Sich für Schwache einzusetzen, denen eine Stimme zu geben, die nicht gehört werden und menschenverachtendes Handeln auch als solches zu benennen und sich dagegen zu wenden. Sich im Vertrauen auf die guten Mächte eben gegen das zu stellen, was Leben verhindert. Bonhoeffer hat dafür mit seinem Leben bezahlt. Seine Worte wirken bis heute. Und wenn wir „Von guten Mächten“ singen, sollten wir auch daran denken für welche Werte Bonhoeffer einstand und in welcher Zeit er gelebt hat. Wenn wir nicht aufpassen steuern wir auf ähnliche Zeiten zu. Auch das hat die Bundestagswahl deutlich gezeigt. Deshalb hoffe ich, dass „Von guten Mächten“ nicht nur ein wichtiges Trostlied ist, sondern auch Ansporn, sich für eine Welt einzusetzen, in der wir einander respektieren und gut leben können.
Ihre Pastorin
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3-Minuten-Kirche am 22. September 2021
Kennen Sie das Gefühl auch? Eigentlich wäre es gerade ganz gut, wenn alles bleibt, wie es ist, weil vertraut, gewohnt, lieb gewonnen…. Manchmal stöhnen wir aber auch, das müsste jetzt aber endlich mal anders werden. So kann es wahrlich nicht bleiben. Beides gehört zum Leben dazu. Es ist wie die beiden Pole Nord und Süd, wie warm und kalt, hell und dunkel. Bleiben bedeutet Ruhe. Veränderung macht alle mal mehr Mühe und Last, kostet mehr Kraft, hat aber auch den Reiz des Neuen, Anderen. Irgendwo dazwischen stecken wir täglich in unserem Leben.
Diese Tage sind wir auch gesellschaftlich, politisch gefragt. Was soll bleiben, was sich verändern? Welche Partei, welche/r KandidatIn steht für die Wege, die nach unserer persönlichen Überzeugung in eine lebensfreundliche Zukunft führen. Spannende Entscheidung, viele sind noch unsicher und auf der Suche nach der richtigen Wahl.
Dabei gilt es, bei allem Gewicht der Entscheidung, sich darüber nicht zu entzweien. Was immer als Ergebnis rauskommt, es wird wieder etwas im Vorübergang sein. Jetzt geht es „nur“ um möglichst gute Schritte ins Morgen, was übermorgen sein wird, was die heutigen Entscheidungen dann zur Folge haben werden? Keiner weiß es und kann es absehen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, nichts blieb je dauerhaft so, wie es war, Reiche kamen und gingen. Was lange selbstverständlich so sicher schien, keiner weiß, was danach kommt.
Das Neue kann ebenso motivierend, befreiend sein, wie seine Unsicherheiten ängstigen. „Panta rhei“ – alles ist im Fluss, so hat schon der griechische Philosoph Plato festgestellt. Wenn alles fließt, muss uns dann auch alles zwischen den Händen zerrinnen? Vielleicht sogar unser Leben? Gibt es denn wirklich nichts, was dauerhaft bleibt in aller Veränderung?
Der Hebräerbrief bringt die menschliche Sehnsucht nach einer bleibenden Heimat so zum Ausdruck:„Wir haben hier keine bleibende Statt, aber die zukünftige suchen wir.“ Lesen wir den Hebräerbrief als ganzen, wird schnell klar, er ist überzeugt, dieses Bleibende ist schon lange da, ist uns geschenkt von Gott. In Jesus Christus können wir jetzt schon bei Gott zu Hause sein. In seinem Geist können wir jetzt das wirken, was der Liebe Gottes und damit dem Leben dient und entspricht. Und das bleibt, weil es von Gott aufgenommen wird in seine Ewigkeit. Ja, auch wir selbst sollen nach Gottes Willen in ihm ewige Heimat finden.
Geborgen in dieser Zuversicht können wir hier und jetzt das entscheiden und tun, was der umfassenden Wirklichkeit Gottes nach unserer Überzeugung am ehesten gerecht wird; können darauf vertrauen: wenn wir in die unbekannte Zukunft gehen, wird er dabei sein. Er bleibt, er ist da in allem Fließen als der liebende, barmherzige, uns zum Leben Rufende. Das ist eine gute und hilfreiche „Statt“ (Heimat) für jetzt, alle Zeit und Gottes Ewigkeit.
Übrigens sind wir persönlich mit Ruhestand und Wegzug auch gerade im Fluss. Täglich gilt es zu entscheiden, was mitgeht, was zurückbleiben muss. Manchmal ist es erleichternd loszulassen, manchmal stimmt es melancholisch, tut es weh, zurückzulassen. Auch darin ist es gut glauben, aus bisheriger Lebenserfahrung vertrauen zu können, wohin immer es geht, was immer kommt, er ist längst da. In diesem Vertrauen seien Sie behütet, Ihr Pastor
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