3-Minuten-Kirche am 24. November 2021
Unsere Landeskirche hat anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 allen Kirchen- und Kapellengemeinden eine Ausgabe des gerade erschienenen Buches „Das Neue Testament - Jüdisch erklärt“ zukommen lassen.
Das Buch enthält erklärende Texte, die allesamt von jüdischen AutorInnen verfasst wurden. Ziel ist es, aufzuzeigen, dass das Neue Testament und damit auch das Christentum seine Wurzeln im Judentum hat.
Man kann zwar sagen, dass mit Jesus eine neue Art von Gott zu reden eingesetzt hat. Dabei hat er aber eben nicht bei null angefangen, sondern war zutiefst im jüdischen Denken und Glauben seiner Zeit verankert. Das Buch will daran erinnern, dass unser Glaube eine Vorgeschichte hat - und dass sich diese Vorgeschichte natürlich auch heute nicht leugnen oder streichen lässt.
Es ist wie bei uns Menschen: Auch wir tragen Spuren unserer Vorgeschichte mit uns durch das Leben: Besonders unsere Familie, in der wir aufgewachsen sind, unsere Kindheit aber grundsätzlich alles, was uns im Laufe unseres Lebens widerfahren ist, hat mehr oder weniger seine Spuren in uns hinterlassen und drückt unserem Leben einen ganz eigenen Stempel auf.
Es kann hilfreich sein, einzusehen wie sehr unsere Vergangenheit und die manchmal ungewollt gemachten Erfahrungen unsere Persönlichkeit geformt haben - weil wir dann vielleicht auch ein bisschen nachsichtiger werden mit Menschen, die so ganz anders sind als wir selber; mit Menschen, deren Lebensweise oder Verhalten wir nicht nachvollziehen können. Auch sie haben Erfahrungen gemacht, die sie zu denMenschen werden ließen, die sie geworden sind. Das ist natürlich keine Entschuldigung für jedes Verhalten - aber manchmal eben doch eine Erklärung.
Ein bisschen mehr Demut in Hinblick auf die Beurteilung unserer Mitmenschen kann jedenfalls nicht schaden und fördert sicherlich das Zusammenleben. Vermutlich mahnt Jesus deshalb: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“
Alles Gute! Ihr/ euer Pastor
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3-Minuten-Kirche am 10.11.2021
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Mit diesem Zitat begründet der Künstler Gunter Demnig sein Projekt „Stolpersteine“. Im Gemeindeverband Saaletal sind im Jahr 2016 Stolpersteine für die jüdischen Familien, die in Hemmendorf und Salzhemmendorf gewohnt haben, verlegt worden. Die Stolpersteine erinnern an die Familien und ihre Geschichten. In der letzten Woche haben wir mit Konfirmandinnen und Konfirmanden aus dem Gemeindeverband diese Stolpersteine wieder gereinigt und in Salzhemmendorf die Spuren des jüdischen Lebens im Ort gesucht. Dadurch sollen die Menschen und auch die Ereignisse der damaligen Zeit nicht in Vergessenheit geraten. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in Deutschland viele Synagogen, jüdische Geschäfte und Betriebe wurden ausgeraubt und zerstört. Dies war der Auftakt für die systematische Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden in Deutschland. Auch in Salzhemmendorf gab es eine Synagoge. Sie befand sich in der Kampstraße im Haus der Familie Davidsohn, die dort auch eine Schlachterei hatte. Diese Synagoge brannte in dieser Nacht nicht. Der Bürgermeister hat es angeblich mit den Worten verhindert: „Es kommt keine Spritze raus.“ Sonst wäre die gesamte Kampstraße abgebrannt. Am Morgen des 10. November wurden die Fensterscheiben des Synagogenraums eingeworfen und die Inneneinrichtung zerstört. Robert Davidsohn und sein Sohn Erich wurden am nächsten Tag zunächst ins Gefängnis nach Hameln und dann in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Beide wurden aus der sogenannten „Schutzhaft“ in Buchenwald wieder entlassen. Erich kam Anfang 1939 mit einem Kindertransport nach England, dem Rest der Familie gelang die Flucht nach Argentinien. Vielen anderen ist dies nicht gelungen.
Der 9. November ist ein Tag, der in Deutschland viele unterschiedliche Erinnerungen wachruft, negativ, aber auch positiv durch den Mauerfall 1989.
Ich finde es wichtig, dass wir uns an die Ereignisse von 1938 erinnern und denen gedenken, die damals verfolgt, verachtet und ermordet worden sind. Es ist wichtig, damit wir uns auch heute aktiv dafür einsetzen, dass dies in unserem Land nicht wieder passiert. Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass dieses Erinnern und Gedenken noch heute wichtig und aktuell ist. Vielleicht wichtiger denn je.
Ihre Pastorin
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