3-Minuten-Kirche am 27. Mai 2020
„Le Penseur“ – „Der Denker“ ist eine der bekanntesten Skulpturen Rodins. Dieses Foto ist eine Erinnerung an einen Besuch im Rodin-Museum in Paris vor vielen Jahren. Mir gefällt dieser ruhige Denker, der erst einmal in Ruhe überlegt, abwartet, nicht vorschnell handelt. Solch eine Haltung wünsche ich mir gerade manchmal auch für mich selbst. Nach vielen Wochen der Krankheit bin ich wieder im Dienst und muss für mich vieles neu sortieren und strukturieren. Das muss an vielen Stellen gut überlegt sein, damit auch alles funktioniert.
Diese nachdenkliche Haltung wünsche ich mir im Moment aber nicht nur für mich selbst, sondern auch für das tägliche Zusammenleben. Etwas weniger Wettstreit unter den politisch Verantwortlichen, wer denn als erstes die meisten Maßnahmen lockert. Weniger Verschwörungstheorien, die laut in die Welt hinausposaunt werden.
Das Virus ist nicht verschwunden, das haben die Nachrichten in den letzten Tagen wieder deutlich gemacht. Wir werden noch lange damit leben müssen und somit auch mit Einschränkungen im täglichen Leben. Auch an Gottesdienste mit Mundschutz und ohne Gesang werden wir uns erst gewöhnen müssen. Ich denke, all das ist möglich, wenn wir weiterhin aufeinander Rücksicht nehmen und weiter vorsichtig im Umgang miteinander sind. Dabei vertraue ich auf das Wirken Gottes unter uns. Denn: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim. 1,7)
Ihre Pastorin

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3-Minuten-Kirche vom 24. Mai 2020
Ich sitze am Schreibtisch und schaue aus dem Fenster. Auf einmal färbt sich die Luft gelb, fast wie bei einem Sandsturm.
Ein heftiger Windstoß hat unsere Kiefer in Bewegung versetzt - die Pollen haben sich gelöst und auf die Reise gemacht.
Pollen sind Wunderwerke der Natur. So besitzen z.B. manche Pollenkörner winzig kleine Luftkammern, die wie ein Fallschirm dafür sorgen, dass sie langsamer zu Boden fallen und dementsprechend weiter getragen werden. So können Pollen Strecken von bis zu 100 Kilometer überwinden. Mit etwas Glück entsteht dann an diesem Ort ein neuer Baum.
Beim Ausstoß der Pollen muss ich an das Corona-Virus denken, das sich ja ebenfalls über die Luft verbreitet. Die Ausbreitung des Virus` hat für uns Menschen zwar schlimme Folgen, aber nichtsdestotrotz ist auch ein Virus eine faszinierende und geniale Erfindung der Natur. Aus der Sicht des Corona-Virus` ist seine Verbreitung rund um den Globus eine riesige Erfolgsgeschichte und ein Beweis für seine Optimierung.
Ich finde es faszinierend, dass im Laufe der Jahrmillionen so unterschiedliche Organismen entstanden sind wie Bäume, Viren oder wir Menschen. Und bei all der Verschiedenheit, gibt es doch auch die eine große Gemeinsamkeit: Jeder belebte Organismus ist geradezu darauf optimiert, am Leben teilzunehmen und es voranzutreiben.
In meinen Augen ist alles was lebt ein Beweis für die schöpferische Kraft des Lebens. Gott will das Leben - und er er will es ganz offensichtlich in dieser Vielfalt und Dynamik, die das Leben nun einmal ausmacht.
Zu dieser Dynamik gehört leider auch, dass sich manches mal ein Lebewesen auf Kosten eines anderen ausbreitet. Das gilt für das Corona-Virus. Für die Menschen ist das Virus eine Gefahr. Doch auch dieses Virus ist Teil des großen Ganzen, das wir Leben nennen.
Die Schöpfung Gottes umfasst soviel mehr als nur uns Menschen - Es dreht sich im Leben nicht nur um uns. Diese Einsicht kann entweder dazu führen, dass wir uns klein fühlen oder aber sie kann uns das Gefühl dafür geben, dass wir Teil eines großen Ganzen sind. Mich jedenfalls erfüllt es mit Ehrfurcht, mir bewusst zu machen, dass ich Teil der Geschichte Gottes mit der Welt bin, die vor Milliarden von Jahren begann.
Und wenn ich mir die Wunder anschaue, die die Natur dabei hervorgebracht habe, kann ich nur zustimmen zu dem, was der Beter im 139. Psalm sagt - und das nicht nur in Bezug auf den Menschen, sondern auf das Leben im Ganzen:
„Ich danke dir dafür, dass ich so wunderbar erschaffen bin, es erfüllt mich mit Ehrfurcht. Ja, das habe ich erkannt: Deine Werke sind wunderbar!“ (Psalm 139,14)
Ihr

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3-Minuten-Kirche am 17. Mai 2020
Was gilt denn nun eigentlich? Das fragen sich derzeit viele Menschen.
Erst der kräftige „lockdown“. Obwohl der im Vergleich zu Frankreich, England und Italien bei uns - bei aller Beschwernis - doch noch sehr gemäßigt war.
Dann die Rufe nach Lockerungen aus allen Ecken. Verständlich einerseits. Andererseits ist für manche scheinbar alles kein Problem mehr. Obwohl die Ausgangslage (kein Medikament, keine Impfung gegen die Krankheit) immer noch die gleiche ist. Dann der Lockerungswettlauf der Bundesländer. Kaum einer weiß noch: Was gilt denn bei uns nun genau? Und schließlich die unsäglichen Verschwörungstheorien und „Fake-News. Dazu nur ein Beispiel: Wenn es darum ginge, uns die Freiheit zu rauben oder per Impfung einen Chip zu implantieren (wie mancher behauptet) könnte man das sofort tun und müsste nicht erst auf die Entwicklung eines Impfstoffes warten. Da möchte man sagen: Zu Ende denken, das Gehirn auf „on“ würde manchmal sicher helfen.
Was gilt? Es gilt, dass die Gefahr, ernsthaft zu erkranken mit der Folge bleibender Schäden für die ganze Bevölkerung fortbesteht; die Gefahr, daran zu versterben, insbesondere für Risikogruppen von jung bis alt.
Dass es dazu nicht bereits wie andernorts gekommen ist, haben wir alle gemeinsam unter der bedachten Führung der politisch Verantwortlichen im „lockdown“ hinbekommen.
Es gilt aber auch, dass ein „lockdown“ schädliche wirtschaftliche und soziale Folgen hat, gerade auch für den Einzelnen, und dass deshalb zurecht vorsichtige und umsichtige Lockerungen versucht werden müssen.
Dann gilt aber auch, dass wir alle dadurch umso mehr Verantwortung füreinander haben. In größerer äußerer Freiheit können und müssen wir umso mehr in der Verantwortung vor unserem Gewissen, für den Nächsten und in der Verantwortung vor Gott abwägen, was dem Leben dient und hilfreich ist.
Was vor allem aber, in dem allen und über dem allen gilt, ist für uns als Christen die Zusage des uns zugewandten Gottes (aus dem Propheten Jesaja): Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.

Herzlich grüßt Sie 

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3-Minuten-Kirche am 20. Mai 2020

Am Kühlschrank hängen Konzertkarten. Die meisten der Konzerte wurden mittlerweile entweder verschoben oder abgesagt. Schade, ich hatte mich auf die Veranstaltungen gefreut. Manche Karte habe ich geschenkt bekommen, andere waren hart erkämpft. Jetzt ziehen die Termine vorüber und ich bleibe zuhause. Schade.
Aber gleichzeitig erinnere ich mich daran, wie sehr ich immer damit gehadert habe, dass mein Kalender schon bis weit in das Jahr 2021 Termine enthält.
Wie vermessen! Als könnte ich vorhersagen, was dann sein würde, wie es mir ginge und wo ich wäre. Mir wird gerade jetzt noch einmal sehr deutlich, wie wenig ich beeinflussen kann, wie sehr mein Leben von Faktoren abhängt, die mir nicht bewusst sind.
Von einem Virus, zum Beispiel.
Aber auch von Bienen. Wussten Sie, dass 75% unserer Nahrungsmittelpflanzen von der Bestäubung durch Bienen abhängig sind? Selbst für medizinische Zwecke werden über 50.000 bienenbestäubte Pflanzenarten genutzt. Aber auch in Sachen Technik und Informatik ist unser Leben von den Bienen beeinflusst. Die Wabenbauweise ist aus Flug- und Fahrzeugbau nicht wegzudenken. Die effiziente Sammelweise der Arbeiterinnen eines Bienenvolks ist Vorbild für Logistikprozesse, Computerprogramme und soziale Netzwerke.
Heute ist Weltbienentag. Die Vereinten Nationen haben diesen Tag ins Leben gerufen, um an die Bedeutung der Biene für das Leben der Menschen zu erinnern. Derzeit stehen ca. 300 von 560 Wildbienenarten auf der roten Liste.
Das können wir beeinflussen! Verschaffen wir den Bienen wieder mehr Lebensraum und Nahrung. Wildblumenwiesen, Balkonkästen mit Kräutern oder auch kleine Trockenmauern sind nicht nur nützlich, sie sehen auch schön aus. Verzichten wir außerdem auf den Einsatz von Pflanzen- oder Insektengiften.
Sorgen wir dafür, dass die Biene weiterhin unser Leben zum Besseren gestaltet. „Denn die Biene ist klein unter allem, was Flügel hat, und bringt doch die allersüßeste Frucht.“ (Jesus Sirach 11, 3)
Ausgebremst von einem unsichtbaren Virus sitze ich nun zuhause – statt bei Konzerten – beobachte das Leben im Garten und lerne Demut.
Bleiben Sie behütet! Ihre Diakonin 

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3-Minuten-Kirche am 13. Mai 2020

Wie sieht Ihre Maske aus? Haben Sie schon eine bunte Mischung zuhause, die es Ihnen erlaubt, die Maske farblich passend zum Outfit zu wählen? Masken werden unseren Alltag sicher noch eine ganze Weile begleiten. Und obwohl auch ich mich nur zögernd an das Maske-Tragen gewöhne, wundere ich mich doch, wie schwer es uns allen fällt. Dabei sind wir das Tragen von Masken durchaus gewöhnt.
Wir alle tragen jeden Tag Masken unsichtbar vor uns her. Wir geben uns glücklich, während in uns drinnen ein tiefer Schmerz brennt. Wir tun alles, um kompetent, sicher und souverän zu wirken und fühlen uns doch oft überfordert. Nach außen wirkt alles in bester Ordnung, nur das Gewissen erinnert uns ständig an unsere Fehler und Versäumnisse. Wir sind so geübt darin, uns hinter Masken zu verstecken, dass es uns manchmal schwerfällt, uns selbst auf die Spur zu kommen.
Wer bin ich? Was macht mich und mein Leben aus? Wie sehen mich die anderen? Was denken die von mir? Wer weiß überhaupt etwas von mir und wie es wirklich in mir aussieht?
Dietrich Bonhoeffer, Theologe und Teil des Widerstands gegen das Nationalsozialistische Regime, ist dieser Frage in einem Gedicht nachgegangen, das er in Gefangenschaft geschrieben hat. „Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? (...) Wer bin ich? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer? Bin ich beides zugleich?“
Bonhoeffer findet keine Antwort – zumindest keine irdische. „Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“ Mit diesem Satz endet sein Gedicht. Gewissheit, Identität und Ruhe findet Bonhoeffer bei Gott.
Gott sieht uns so wie wir wirklich sind, mit all unseren Widersprüchen, mit unserem guten Willen und unserem Scheitern, mit unserer Sehnsucht, mit unseren Hoffnungen und Ängsten, mit allem, was uns bewegt und belastet.
Das hat rund 3000 Jahre vorher schon König David erkannt. Er schrieb in einem Liedtext darüber, den wir heute im 139. Psalm nachlesen können. „Herr, du erforschst mich und kennst mich. Du verstehst meine Gedanken von ferne und siehst alle meine Wege. Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“
Gott sieht durch all unsere Masken hindurch. Er kennt und versteht uns, auch wenn wir uns selbst ein Rätsel bleiben. Gott sieht unsere Stärken und freut sich. Gott sieht unsere Schwächen und leidet mit uns. Er sieht unsere Fehler, vergibt und verändert uns. Gott schaut uns voller Liebe an. Das tut unendlich gut! Vergessen wir nicht, zurückzulächeln – trotz Maske!
Bleiben Sie behütet! 

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