3-Minuten-Kirche am 01. Juli 2020

Sind Sie ein Schaf? Oder eher Fisch? Und: Schlafen sie eher, oder sind sie tot?
Okay, ich gestehe, diese Fragen wirken wirr. Aber mir scheinen diese Tiere in Zeiten der Corona-Pandemie sehr populär. Ausrufe wie „Schlafschaf!“ oder „Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom!“ zeigen, dass die Menschen von heute wieder echte Helden suchen. Also Menschen, die es wagen sich gegen die Mehrheitsmeinung zu stemmen; die den berühmten „Mut zur Wahrheit“ haben. Und wer auf diese Helden nicht hört ist entweder ein Schlafschaf oder eben ein toter Fisch.
Ich finde Helden total gut! Doch wenn ich mir anhöre, was die Helden von heute so von sich geben…
Unter anderem das: Es sei doch sehr egoistisch von den „Risikopatienten“, dass die Mehrheit der Bevölkerung wegen ihnen tiefgreifende Veränderungen im Alltag hinnehme müsse. Das tragische an diesen neuen Helden: Durch ihren Mut zur „Wahrheit“ gefährden sie unzählige Menschenleben. Völlig sinnlos.
Andere Frage: Wussten Sie, dass am vergangenen Montag (29. Juni) Peter und Paul war? Also ein Gedenktag für die beiden Apostel Petrus und Paulus? Die beiden schwammen übrigens auch gegen den Strom. Denn inspiriert durch ihre Erfahrungen, die sie mit unserem Herrn Jesus machten, zogen die beiden los und verkündigten das Evangelium. Zur damaligen Zeit eine unerhörte Zumutung für alle Zeitgenossen! Eine neue Lehre, komische Inhalte und eine komische Lebensführung: Sie brachten jenen, die arm, schwach und krank waren Respekt, Liebe und Demut entgegen; sie forderten dazu auf, dass ein jeder alles tun soll, was in seiner Macht steht, um das Reich Gottes hier auf Erden für jeden von uns spürbar werden zu lassen. Diese beiden haben anderen Menschen das Leben gerettet und mussten ihr eigenes dafür lassen.
Und? Wer hat, Ihrer Meinung nach, das Zeug zum Helden?
Herzlich grüßt Ihr Vikar, Jan Edelstein
____________________________________________________
3-Minuten-Kirche am 28. Juni 2020

„Während seines Pariser Aufenthaltes ging Rilke täglich um die Mittagszeit in Begleitung einer jungen Französin an einer alten Bettlerin vorbei. Stumm und unbeweglich saß die Frau da und nahm die Gaben der Vorübergehenden ohne jedes Anzeichen von Dankbarkeit entgegen. Der Dichter gab zur Verwunderung seiner Begleiterin, die selbst immer eine Münze bereit hatte, nichts. Vorsichtig darüber befragt, sagte er: ‚Man müsste ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand.’ An einem der nächsten Tage erschien Rilke mit einer wundervollen, halberblühten Rose. Ah, dachte das Mädchen, eine Blume für mich! Aber er legte die Rose in die Hand der Bettlerin.
Da geschah etwas Merkwürdiges: Die Frau stand auf, griff nach seiner Hand, küsste sie und ging mit der Rose davon. Eine Woche lang blieb sie verschwunden. Dann saß sie wieder auf ihrem Platz, stumm, starr, wie zuvor. ‚Wovon mag sie die ganzen Tage über gelebt haben?’ Rilke antwortete: ‚Von der Rose!’“
Diese Geschichte, die sich im Andachtsreader der Ev. Jugend Emsland-Bentheim findet, hat mich schon beim ersten Lesen vor vielen Jahren bewegt und spricht mich immer wieder neu an. Sie erzählt von den kleinen Dingen, die das Leben schön machen, so wie die Rose. Dinge, Erlebnisse, die das Herz ansprechen, die nicht notwendig sind zum überleben, die aber genauso wichtig sind und mir gut tun.
Manchmal gehen diese Dinge im Alltag unter, manchmal werden sie so selbstverständlich, dass ich sie aus dem Blick verliere. In den letzten Monaten habe ich viele Dinge noch einmal mit anderen Augen sehen gelernt. Alles, was bisher so selbstverständlich war, wurde in Frage gestellt. Und die kleinen, wichtigen Dinge des Lebens bekommen wieder einen anderen Stellenwert. Dafür bin ich dankbar.
„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ So heißt es heute im Gottesdienst im Psalm 103. Ich möchte nicht vergessen, dass so viele Dinge in meinem Leben eben nicht selbstverständlich sind, dass ich an vielen Stellen reich beschenkt und gesegnet bin. Einer von vielen Gründen, Gott zu loben und dankbar zu sein.
Vielleicht fallen Ihnen ja auch kleine Dinge oder kleine Erlebnisse ein, die Ihr Herz angesprochen haben und Sie dankbar machen. Vergessen Sie sie nicht!
Ihre Pastorin 

__________________________________________________
3-Minuten-Kirche am 21. Juni 2020

Entweder - oder. Manchmal scheint es, als gäbe es nichts dazwischen.
Hund oder Katze? Nord- oder Ostsee? Tee oder Kaffee? Über diese Fragen sollen schon Beziehungen zerbrochen sein.
Um das gleich klarzustellen: Ich persönlich wollte nie eine Katze. Mit Katzen wusste ich nichts anzufangen. Ein Hund sollte es sein. Immer schon und unbedingt. Was die Küsten- und Getränkefrage angeht, kann ich mich ebenso deutlich positionieren.
Ich bin in Stade geboren, also ganz klar: Tee und Nordsee!
Nun ist mittlerweile eine Katze bei uns zuhause eingezogen (ihre Entscheidung – nicht meine), Milchkaffee und Rügen habe ich ebenfalls schätzen gelernt. Aber seien wir ehrlich: Die meisten von uns bleiben bei dieser Art Fragen sehr dogmatisch und sehen etwas mitleidig auf diejenigen mit der anderen Meinung. Die wissen es eben nicht besser. Tja.
In dieser Woche ist eine neue dieser kategorischen Fragen aufgetaucht: Corona-Warn-App installieren – Ja oder nein?!
Zugegeben, bei dieser Frage gibt es keinen Mittelweg. Man kann sich nur für oder gegen die Installation entscheiden. Ich habe mir die App gleich installiert. Ich sehe nämlich nicht, welchen Nachteil ich dadurch haben sollte. Meine Daten bleiben bei mir (außer ich nutze WhatsApp, Google, facebook, ...). Mein Bewegungsprofil wird nicht erhoben. Ich muss nichts bezahlen. Meine Anonymität bleibt – auch im Falle einer Infektion – gewahrt.
Im Gegenzug aber kann ich helfen, Infektionsketten schnell und konsequent einzudämmen. So helfe ich anderen und mir. Für mich spricht also alles FÜR diese Corona-Warn-App.
Ich kann aber auch akzeptieren, wenn sich jemand dagegen entscheidet. Ich bin gern bereit, darüber ins Gespräch zu kommen, manchmal ändern ja Menschen ihre Meinung nach dem Austausch von Argumenten (siehe unsere Katze).
Am Ende muss es jede*r selbst entscheiden. Und es ändert nichts an seiner Würde oder ihrem Wert, eine andere Meinung zu vertreten. Beides ist nämlich gottgegeben und unabänderlich! Katze hin oder her!
Bleiben Sie behütet! 

___________________________________________________________________
3-Minuten-Kirche am 24. Juni 2020

Alle Jahre wieder...
Heute ist der 24. Juni - in einem halben Jahr ist Weihnachten. Normalerweise hätte ich zu diesem Zeitpunkt schon eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie sich dieser Tag gestalten wird. Und ich denke, das geht den meisten von uns so. Es gibt doch eigentlich keinen Tag im Jahr, der so vorhersehbar, so traditionell wie Heiligabend ist: immer die gleichen Lieder, die gleichen Texte, die gleiche Dekoration, das gleiche Essen… Alle Jahre wieder eben.
Doch dieses Jahr dürfte es anders werden. Dass der Gottesdienst an Heiligabend in gewohnter Form stattfinden kann, ist nicht sehr wahrscheinlich. Inwiefern Corona die Feierlichkeiten im Familienkreis beeinträchtigen wird, bleibt abzuwarten. Doch 2020 wird es vermutlich ein Weihnachten geben, wie wir es noch nie hatten.
Auch wenn wir in letzter Zeit schon einige ungewollte Veränderungen hinnehmen mussten, bin ich dennoch der Meinung, dass Veränderung grundsätzlich etwas Gutes ist - auch wenn wir uns oft aus Gewohnheit oder aus Angst vor dem Neuen am Alten festhalten.
So machte sich ja auch Jesus bei vielen seiner Zeitgenossen sehr unbeliebt. Schließlich brach auch er mit vielem, was in seiner Zeit als selbstverständlich galt - hat er neue Wege eröffnet, auf denen auch wir heute noch gehen. Und viel später hat dann Martin Luther einen mühsamen Kampf gegen die Traditionund für ein neues Leben gekämpft.
Als Christen stehen wir also in einer Tradition des Brechens mit der Tradition. Ohne die Veränderungen der Vergangenheit wären wir heute nicht die, die wir sind. Dennoch tun wir uns mit Veränderungen nicht unbedingt leicht. Die alten Wege scheinen sicher und leichter zu gehen zu sein. Doch ich vertraue darauf, dass Gott uns auf jeden Fall alles geben wird, was wir brauchen, wenn wir die alten Wege verlassen (müssen).
„Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist, weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt.“
In diesem Sinn wünsche ich viel Mut zur Veränderung!
Ihr Pastor 

______________________________________________________________________________
3-Minuten-Kirche am 17. Juni 2020

„Nein über den Tod hat er zu Lebzeiten nicht gesprochen. Er wollte ja leben! Da mochte er wohl nicht daran denken.“
Das Dumme ist nur, man entgeht ihm damit nicht, dem Tod und seinen Auswirkungen.
Beispiel gefällig?
Nun, die menschlichen Reaktionen auf die Pandemie, zeigen seine Macht über uns, ohne dass wir das wollen. Da war und ist die Angst das Leben zu verlieren. Ich meine jetzt nicht eine begründete Sorge um die wirtschaftliche Existenz, auch nicht die vernünftige Fürsorge für die eigene Gesundheit oder die eines nahen Menschen. Ich meine vielmehr die Angst das Leben zu verlieren, die Verzweiflung es nicht sichern zu können und die daraus folgende Panik, wie sie sich u.a. in Hamsterkäufen von Toilettenpapier(!), Mehl, Hefe und wer weiß noch was zeigte. Und bestimmt von der gleichen Todesangst,der daraus erwachsenden tiefen Sorge, das beschränkte Leben nicht genügend ausschöpfen zu können, bei anderen, der Ruf danach, alle Beschränkungen zum Gesundheitsschutz so schnell wie möglich wieder auf zu heben, weil alles so sein soll, wie vorher. Bitte keine Einschränkungen, das Leben ist kurz.
Wo die Angst vor dem Tod Menschen reitet, ob nun in der Panik oder dem Schrei nach mehr an Leben und das, wenn es irgend geht, jetzt sofort, hat die Vernunft wenig Chancen und damit das Leben letztlich auch nicht.
Wieviel anders könnte ein Leben sein, dass aus dem getrosten Vertrauen aus Gottes Zusage „Deine Toten werden leben!“ (Jesaja 26, 19) schöpfen kann. Nicht mehr der Tod hat dann das Sagen, sei es nun in der Panik angesichts der Bedrohung oder auch dem Drängen nach soviel an vermeintlichen Leben wie nur irgend möglich. Sondern stattdessen die Zuversicht auf ein unverlierbares Leben, das doch längst bereit liegt. Denn Gottes Zusage ist doch: „Deine Toten werden leben!“.
Christen vertrauen darauf: Die Verwirklichung dieser Zusage Gottes hat in der Auferstehung von Jesus Christus bereits begonnen. Wo dieses Vertrauen auf ein von Gott gewirktes, noch im Tod neu geschenktes Leben wächst, verliert der Tod schon jetzt seine Macht über uns, werden wir innerlich frei von ihm. Ja, wird unsere Vernunft erst frei nach dem zu fragen, was dem Leben denn wirklich dient.
Wo das Vertrauen auf Gott wächst, wo Gottes Geist ist, da ist Freiheit, Da verliert selbst der Tod seine Macht, da kann man auch über ihn reden, weil er ein zwar oft schmerzlicher Schritt ist, aber einer der ins Leben führt, bei Gott.
Immer aufs Neue solch getroste Zuversicht – gerade in diesen Zeiten - wünscht sich und Ihnen
Ihr Pastor 

________________________________________________________________________________